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Ritterliche Heraldik

Es ist im Allgemeinen bekannt, dass die Christen recht viel von der Kultur des Orients übernommen haben. Oft kann es sogar schwierig sein, zu bestimmen, ob die Einflüsse der orientalischen Kultur durch Spanien, Sizilien und Byzanz oder durch Vermittlung der Kreuzfahrer nach Europa gelangten. Aus Syrien wurde der Brauch der Kreuzfahrer übernommen, die Schilde mit Erkennungszeichen zu verzieren. Vermutlich werden sich bis zu dieser Zeit die Embleme herausgebildet haben, die bekannt waren und woraus zusammengesetzte Botschaft auf dem Schild den Zeitgenossen verständlich war.
    Eine besondere Art der Embleme bilden die Wappen, die in England, Frankreich, Süddeutschland und Flandern während der Kreuzzüge im 11.–12. Jahrhundert in Gebrauch genommen wurden. Solche Zeichen, die aus großer Entfernung erkennbar waren, wurden von dem ganzen Ritterheer wie von den einzelnen Rittern getragen. Ihre Blütezeit erlebte die ritterliche Heraldik am Ende des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert, als das Wappen in alle Lebensbereiche vordrang und seinen Inhaber dessen ganzes Leben lang begleitete. Die Zeit von der Entstehung der Wappen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, d.h. die Zeit, als der mit dem Wappen verzierte Schild und Helm auch tatsächlich getragen wurden, nennt man die Zeit der "lebendigen" Wappen. Die spätere Zeit ist das Zeitalter der Wappenkunst. Zur Grundlage der westeuropäischen Wappenzeichen wurde die Vereinigung der Schildfiguren und der Helmzierden. Vorläufig waren die auf dem Wappenschild dargestellten Figuren meist zufällig. In der Zeit, als die Verwendung solcher Embleme bereits üblich wurde, versuchte man damit bestimmte Ereignisse und persönliche Heldentaten zu verewigen. Dafür wurden die entsprechenden Symbole gewählt. Auf den Kriegszügen und in den Schlachten waren der Schild und der Helm die ständigen Gefährten des Ritters, deren Symbolik zu seinem untrennbaren Eigentum wurde. Aus den mit symbolischen Figuren versehenen Emblemen, welche die historischen Traditionen des Inhabers ausdrückten und von Generation zu Generation weitergegeben wurden, entwickelten sich die Wappen.
    Während der Kreuzzüge übernahmen die Kreuzfahrer den orientalischen Brauch, keffiéh zu tragen, um sich vor der stechenden Sonne Ägyptens und Syriens zu schützen. Von hier stammt auch ein mantelartiges Tuch, welches über dem Harnisch getragen wurde (heraldisch hachements; russ. намёт; dt. Wappenmantel), und zu dessen Anbringung am Helm ein aus geflochtenem Kamelhaar angefertigtes Band gebraucht wurde (heraldisch tortil; russ. бурлет; dt. Wulst). Ursprünglich verzierte der Wappenmantel ausschließlich die Wappen der Prinzen und Fürsten, doch wurde er bald auch von anderen Rittern in Gebrauch genommen, insbesondere im Zusammenhang mit den Ritterturnieren. Mit der Verbreitung der Schriftkundigkeit wurde unter dem Schild ein Wappenspruch platziert, um ein historisches Ereignis oder eine Familientradition zu bezeichnen. Der Wappenspruch konnte auch symbolisch sein und zu dessen Auslegung musste man die Geschichte, den Lebenslauf des Wappeninhabers und seine Ahnentafel kennen.
    Das Wappen als ein vereinbartes Bild diente als Symbol und Erkennungszeichen eines Staates, einer Stadt, eines Geschlechts oder einer Einzelperson und spiegelte die herausgebildeten historischen Traditionen des Wappeninhabers wider. In der Regel wurde das Wappen nach den jeweiligen Regeln zusammengesetzt, die in der Zeit und am Ort dessen Erstellung in Geltung waren, und durch eine gesetzgebende Akte bestätigt.
    In der Entstehungszeit der Wappen, die im Dunkel der Jahrhunderte liegt, waren deren Prototypen die Totems und Tamgas, welche den Kultus und das Eigentum symbolisierten.
    Der Terminus Wappen wird auch im engeren Sinne verwendet – man versteht darunter eine grafische Abbildung, die eine bestimmte Komposition aufweist, aus streng festgelegten Elementen zusammengesetzt ist und nach festgesetzten Regeln erstellt wird. Das symbolische Emblem des Wappens war für jedermann verständlich. Der Begriff Wappen wird in vielen europäischen Sprachen aus dem Begriff Waffe abgeleitet: dt. Wappen – Waffen; fr. armoiries – armes; engl. arms – arm; it. arma; schwed. vapen.
    Die Geschlechtswappen (fr. armes de famille) wurden nach ihrer Herkunft in Urwappen, die aus der Zeit der Entstehung der Wappen stammten und durch ein stillschweigendes Einverständnis bzw. die Naturalisation legalisiert wurden, und in Briefwappen, die ab dem 14. Jahrhundert durch ein Adels- oder Wappendiplom verliehen wurden, geteilt.
    Die Geschichte der Heraldik ist eng mit der Geschichte des Adels der europäischen Länder verbunden. In Frankreich entwickelte sich der Adel unter den Bedingungen des feudalen Systems und in Abhängigkeit von Spenden des Monarchen. In Deutschland wurden bis zum Ende des 13. Jahrhunderts die alten Klassen der Fürsten und Herren, die sich mit der Zeit erweiterten, zum Reichsadel gezählt. Außer diesen Klassen gab es sog. weltliche Fürsten, die dem erblichen Adel angehörten (Herzöge, Mark- und Pfalzgrafen, Landgrafen, Burggrafen) sowie geistliche Fürsten, die nicht durch Geburt dem Adelsstand angehörten, sondern zu Dienstadligen zählten. Freie Herren waren die Personen, denen auf Grund der Jurisdiktion die Herrschaften gehörten und welche das Recht hatten, neben dem Hochadel an den Reichstagen teilzunehmen. Es gab auch eine Schicht von Adligen, die Mittelfreie genannt wurden, und sich als Vasallen des Hochadels am Reitdienst beteiligen mussten (milites minores). Im Laufe der Zeit wurde das System der Adelsstände einfacher.
    Die an den Höfen bestellten Herolde begannen die Wappen der Ritter, die an den Turnieren teilnahmen, zu erstellen und zu beschreiben. In vielen europäischen Staaten entstanden die Heroldsämter mit einem Wappenkönig an der Spitze. Der Erstellung und Blasonierung der Wappen wurde große Aufmerksamkeit geschenkt.
    So etwa gab es in Deutschland im 14. Jahrhundert in jeder Provinz einen eigenen Herold. In England nahmen die Herolde schon im 12. Jahrhundert eine ansehnliche Stellung am Hof ein, vom König Edward II. wurde das spezielle Kollegium der Herolde gegründet. Der französische König Louis XIV. setzte im Jahre 1696 einen Heroldsmeister ins Amt ein, der mit der Aufgabe betraut war, die Wappen der Adelsfamilien zu erstellen und zu bewahren. Wegen der Zunahme der Anzahl der Wappen wurde erforderlich, dass die Wappen nach festen Regeln erstellt werden. Es war nicht erlaubt, zwei völlig ähnliche Wappen zu benutzen. Für den Nachweis des Adels verliehen die Könige in ihrem Namen die Adelsdiplome, zu denen auch eine farbige Wappenzeichnung gehörte. In den meisten Fällen beinhaltete das Adelsdiplom auch die Beschreibung des Wappens sowie eine Erklärung, wofür der Adelsstand und das Wappen dem Inhaber verliehen wurden. Die widerrechtliche Führung des Wappens war strafbar.

Adelsmatrikel

Die Adelsmatrikel war in den europäischen Ländern ein von besonderen Behörden geführtes Adelsverzeichnis. Die Eintragung in ihr war für die Adelsfamilien notwendig, um als vollberechtigtes Mitglied des örtlichen Adels anerkannt zu werden. Ein Großteil der Est- und Livländischen Adligen wurde im 16.–17. Jahrhundert von den polnischen und schwedischen Königen in den Adelsstand erhoben, doch wurde nur ein kleiner Teil der Personen, die von den schwedischen Königen geadelt worden waren und das Adelswappen erworben hatten, in die Adelsmatrikel des Stockholmer Ritterhauses aufgenommen. Im Baltikum erfolgte nach dem Livländischen Krieg keine formale Aufnahme in die Ritterschaft. Zuerst wurde die Adelsmatrikel in Kurland eingeführt, deren Einrichtung wurde im Jahre 1617 in Angriff genommen und die Matrikel konnte im Jahre 1634 vollendet werden. In ungeordneten Verhältnissen nach dem Großen Nordischen Krieg galt es festzuhalten, wer sind Adlige und welches sind ihre Rechte. In Russland wurden zwei Behörden, die für die Heraldik zuständig waren, gegründet: am 12. Januar 1722 das Kontor des Heroldmeisters und danach die Kanzlei des Heroldmeisters. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war in Russland eine Multinationalisierung des Adels zu verzeichnen. Der Adel der baltischen Gouvernements, die an Russland angegliedert worden waren, brauchte die Anerkennung seiner Adelsrechte und -diplome, dem die Bestätigung und Ausstellung der russischen Adelsdiplome und -wappen folgte. In erster Linie waren davon die Anwärter auf Fürsten-, Grafen- und Baronentitel sowie die Erwerber dieser Titel betroffen. Im Jahre 1728 stellte die Estländische Ritterschaft dem Departement des Senats für Heraldik einen Antrag auf die Einrichtung einer Adelsmatrikel. Die hiesigen Adelsgeschlechter waren bis zum Jahre 1741 nicht in der Adelsmatrikel eingetragen, als der Führer der Estländischen Ritterschaft Jacob Johan von Tiesenhausen auf dem Landtag den Vorschlag unterbreitete, eine Matrikelkommission zu errichten. Im Jahre 1745 wurde mit der Einrichtung der Estländischen Adelsmatrikel (Ritterbank) begonnen, womit eine klare Trennungslinie zwischen dem immatrikulierten und nicht immatrikulierten Adel gezogen wurde. Die Angehörigen des Letzteren wurden als Landsassen bezeichnet. Zu der jüngst errichteten Matrikelkommission, die unter der Leitung Friedrichs Freiherrn von Stackelberg stand, gehörten zwei Deputierte aus jedem Landkreis. Alle Personen, die Antrag gestellt hatten, in die Adelsmatrikel aufgenommen zu werden, mussten ihre adelige Herkunft nachweisen. Die ersten Eintragungen in der Adelsmatrikel der Estländischen Ritterschaft wurden im Jahre 1745 vorgenommen, doch konnte die Matrikel erst im Jahre 1756 vollendet werden. Auf Grund des von der Kaiserin Katharina II. erlassenen Manifests vom 31. März 1786 wurden nur die zum Geburtsadel gehörenden Geschlechter, die lange Zeit im Ort ansässig gewesen waren, in die Adelsmatrikel eingetragen und somit als Adlige immatrikuliert.
    Die Adligen, die zur Estländischen Ritterschaft gehörten, waren in drei Klassen eingeteilt: Zur I. Klasse gehörten die Personen, die den Adelstitel und das Adelswappen vor dem Jahre 1561 erworben hatten und seitdem mit dem Land verbunden gewesen waren; zur II. Klasse gehörten die Personen, die den Adelstitel während der schwedischen Herrschaft (1561–1710) erworben hatten; zur III. Klasse gehörten die Personen, die den Adelstitel während der russischen Herrschaft bis 1882 erworben hatten. Zu den Hauptpflichten des immatrikulierten Adels zählte die Verpflichtung, an der Arbeit des Landtages teilzunehmen. In Estland fehlte der Hochadel und ein Großteil der den Adelsgeschlechtern verliehenen Titel, die in erster Linie durch den Dienst erworben worden waren, war relativ späten Datums. Im 18. Jahrhundert machten den Großteil der Titel die Barone bzw. Freiherren aus, je nachdem, von wem der Titel erworben worden war. Nach Angaben der Adelsmatrikel von 1826 wurde von 24 immatrikulierten Geschlechtern oder deren Linien der Baronen- bzw. Freiherrntitel geführt. Den Grafentitel führten 14 Geschlechter, von denen nur acht tatsächlich mit dem Land verbunden waren (Manteuffel, Mellin, Rehbinder, Stackelberg, Tiesenhausen, Igelström, Nieroth und Stenbock), die übrigen waren als russische Hochadlige ehrenhalber immatrikuliert worden. Es war den baltischen Adligen erlaubt, außer dem russischen Kaiser auch den anderen Monarchen zu dienen.
    Die zur Livländischen Ritterschaft gehörenden Adligen sind nach den folgenden Perioden eingeteilt: die Zeit des Ordens und der Bischöfe (bis 1561); die Zeit der polnischen Herrschaft (1561–1629); die Zeit der schwedischen Herrschaft (1629–1710); die Zeit der russischen Herrschaft (bis zum Jahre 1882).
    Die Personen, die zur Öselschen Ritterschaft gehörten, waren nicht in die Klassen eingeteilt.
    Der Ukas des Senats vom 7. März 1833 über die Rechte der Adligen der baltischen Gouvernements, die Anwartschaft auf den Baronen- und Grafentitel anzumelden, regelte in Anlehnung auf die Verordnung des Komitees der Minister vom 18. November 1830 Folgendes:
1) den Baronen- bzw. Grafentitel dürfen nur diejenigen alten Adelsgeschlechter der baltischen Länder führen, die bereits vor der Angliederung an Russland in die Adelsmatrikel eingetragen worden waren oder aus der früheren Zeit ein Diplom über die Verleihung des Freiherrn- bzw. Grafentitel besaßen;
2) allen anderen, die nicht zu den alten Adelsgeschlechter gehörten und bisher den Baronentitel getragen hatten, dessen Rechtmäßigkeit sie jedoch nicht beweisen konnten, wurde die Führung des Titels untersagt;
3) zum Nachweis des Grafentitels mussten schriftliche Urkunden vorgelegt werden.

Wappentypen verschiedener Stilepochen
(Es wird referiert Georg Wrangells Manuskript “Notizen über die in Reval vorhandenen oder in Reproduktion zugänglichen Wappentypen verschiedener Stylepochen”, 16. März 1921; EAA, Bestand 854, Findbuch 1, Akte 907.)

Die ältesten Wappen sind im gotischen Stil ausgeführt. In den Beständen des Estnischen Historischen Archivs liegen aus dieser Periode keine Wappenzeichnungen vor. Das älteste Wappen, das den gotischen Stil vertritt, befindet sich auf dem Siegel des Ordensmeisters des Schwertbrüderordens, das in den Jahren 1221–1232 verwendet wurde (EAA, Bestand 2069, Findbuch 3, Akte 7). Die Beispiele für die Wappen im hoch- und spätgotischen Stil findet man auch auf den anderen Siegeln: auf demjenigen des Johannes de Loisen aus dem Jahre 1277 (EAA 2069-3-345), des Johannes Wytten (Witt) – 1383 (EAA 2069-3-515), des Goswin von der Pahle – 1428 (EAA 2069-3- 367) und des Kersten Tiesenhausen – 1522 (EAA 2069-3-436).
    Als Zeit des Übergangs vom gotischen Stil zum Renaissancestil in der Wappenkunst gilt die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der Wappenschild nahm eine kompliziertere Gestalt an, der Helm wurde kunstvoll stilisiert und erhielt eine elegantere Form als im gotischen Stil. Die großen Künstler des 16. Jahrhunderts wie Albrecht Dürer, Hans Holbein u.a. haben die schönsten Wappenbilder Europas gezeichnet. In den Beständen des Estnischen Historischen Archivs sind die hervorragendsten Beispiele dieses Stils die in den Adelsdiplomen Hans Wartmanns und Jacob Römlingens befindlichen Wappenzeichnungen. Die Erstere davon stammt aus dem Jahre 1585 und befindet sich im Archiv der Estländischen Ritterschaft (EAA 854-2-328), die Letztere, aus dem Jahre 1594, im Archiv der Öselschen Ritterschaft (EAA 957-1-19).
    Im Laufe des 17. Jahrhunderts fand auch in der Wappenkunst ein Übergang vom Renaissancestil zum Barockstil statt. Der Übergang erfolgte jedoch allmählich und war nicht so deutlich erkennbar wie der Übergang vom gotischen Stil zum Renaissancestil. In künstlerischer Hinsicht erfuhr die größte Änderung das am Helm angebrachte Zubehör, insbesondere der zum Helm gehörende zackige Wappenmantel. Im Estnischen Historischen Archiv, im Archiv der Estländischen Ritterschaft werden die Adelsdiplome, die mit den im Barockstil ausgeführten Wappenzeichnungen verziert sind, aufbewahrt: dasjenige des Georg Schwengelm aus dem Jahre 1631 (EAA 854-2-331), des Johann Herman von Tiepenbruck – 1652 (EAA 854-2- 332), der Familie von Helffreich – aus den 1680er Jahren (EAA 854-2-335), des Dietrich Hassenkrugh –1681 (EAA 854-2-336) und des Herman Brevern – 1694 (EAA 854-2-338). Auch die im Freiherrndiplom, das im Jahre 1727 vom schwedischen König an Brendt Otto von Stackelberg (EAA 1862-4-92) verliehen wurde und im Archiv der Familie Stackelberg aufbewahrt wird, befindliche Wappenzeichnung sollte dem Barockstil zugeordnet werden.
    Der Rokokostil herrschte in Europa in den Jahren 1730–1780 vor, die größte Verbreitung fand dieser durch die elegante Grazie gekennzeichnete Stil in Deutschland. Die bestechendsten Beispiele des Rokoko sind die von den Kaisern des Heiligen Römischen Reiches der Deutschen Nation ausgestellten Diplome über die Verleihung des Titels des Reichsadels an Friedrich von Emme im Jahre 1764 (EAA 854-2-343), an Gustav Otto von Riesenkampf im Jahre 1780 (EAA 854-2-345), an Georg Wilhelm Wendrich im Jahre 1785 und an Otto Magnus von Rehbinder im Jahre 1787 (EAA 854-2-346, 347), die im Archiv der Estländischen Ritterschaft aufbewahrt werden.
    In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Wappenkunst einen Tiefstand, das Wappenbild wurde stil- und geschmacklos.
    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in der Wappenkunst eine große Wende ab, sie begann sich wieder für ihre Wurzeln zu interessieren. Außer der modernen Wappenkunst kehrte man zu den früheren Stilen zurück. In dieser Periode war einer der bekanntesten Wappenzeichner in Reval/Tallinn R. von Hesse, von dem gezeichnete Wappenbilder stil- und geschmackvoll waren.

Wappen

Wappenschild
Ab dem 17. Jahrhundert wurden die Schildtypen je nach den heraldischen Richtungen wie folgt eingeteilt: dreieckig – der warjagische, oval – der italienische, das Viereck mit gewölbtem Unterteil – der spanische, das Viereck mit spitzem Unterteil – der französische und figural – der deutsche Schild. Der Schild konnte ein Feld haben oder in mehrere Felder aufgeteilt sein, am häufigsten senkrecht in zwei, waagerecht in zwei, diagonal in zwei oder vier Felder. Die Teilung des Wappenschildes in die rechte und linke Seite wurde dem Gesichtspunkt des Schildträgers entnommen. Die Felder des in vier Teile aufgeteilten Wappens wurden von rechts nach links benannt. Bei mehrschichtigen Wappenschildern ist der große Schild bzw. Rückenschild aufgeteilt und darauf befindet sich der kleine Wappenschild bzw. Herzschild mit dem Familienwappen.

Farben und Metalle
In der Heraldik fanden ursprünglich nur vier Farben als Grundfarben Verwendung: Rot, Blau, Grün und Schwarz. Das werden heraldische Farben bzw. Tinkturen genannt.
    Als Metalle wurden Gold und Silber verwendet. Es wurde die Regel beachtet, dass Farbe nicht auf Farbe und Metall nicht auf Metall zu stehen kommen darf.
    Rote Farbe geht zurück auf die um den Hals und an den Ärmeln der Kleidung des Kreuzritters angebrachten Verzierungen, die aus rot gefärbtem Pelz angefertigt waren. Rot war die Farbe des Mars und symbolisierte Liebe, Tapferkeit und Mut.
    Blau war die Farbe des Jupiters und damit wurden zielsicheres Vorgehen, Ehrlichkeit, Treue und Tadellosigkeit symbolisiert.
    Weiß wurde mit Silber gleichgesetzt, sein Planet war der Mond und es symbolisierte Reinheit, Hoffnung, Unschuld und Erhabenheit.
    Schwarz war die Farbe des Saturns und symbolisierte Vorsicht, Klugheit und Bereitschaft, die Herausforderungen anzunehmen.
    Gold bzw. Gelb waren die Farben der Sonne und symbolisierten Glauben, Gerechtigkeit, Großmütigkeit und Macht.
    Grün, das auf den westeuropäischen Wappen selten vorkam, war die Farbe der Venus und symbolisierte Hoffnung, Freiheit und Freude.
    Die andere Farbe, die auf den Wappen selten Verwendung fand, war Purpur, dessen Planet der Merkur war und womit Verständigkeit, Freigebigkeit und die höchste Macht symbolisiert wurden.
    Orange wurde vorwiegend in England verwendet.
    Die heraldischen Pelzwerke Hermelin und Feh waren die Symbole der Reinheit.
    Durch die vier Grundfarben und Metalle wurden die Regeln der heraldischen Kunst festgelegt. So etwa durften die Wappenkünstler ursprünglich nicht die natürlichen Farben der Figuren verwenden. So waren die Hirsche und Hunde zunächst schwarz oder rot, die Löwen golden oder rot, die Rosen grellrot, die Köpfe der Menschen rot oder silbern. Die Letzteren begann man in späterer Zeit jedoch in natürlichen Farben abzubilden.

Figuren
Die Figuren wurden in heraldische Figuren bzw. Heroldsbilder und unheraldische Figuren bzw. gemeine Figuren geteilt. Die große Anzahl der Heroldsbilder ist Ehrfurcht erweckend und für jedes Heroldsbild gab es sowohl in der deutschen wie auch in der französichen Heraldik einen eigenen heraldischen Terminus, zum Beispiel Pfahl (pal), Balken (fasce), Sparren (chevron) u.a.
    Gemeine Figuren wurden geteilt in natürliche Figuren bzw. in Gegenstände aus der Natur (figures naturelles); in künstliche Figuren, die durch menschliche Arbeit erzeugt wurden (figures artificielles); in erdichtete Figuren (figures chimériques).
    Natürliche Figuren – Tiere, Pflanzen, Erdboden (Erde) oder Himmelskörper.
a) Menschen – Männer, Frauen, Mönche, Ritter, Könige, Narren; Köpfe des Menschen; Hand – Gottes Hand, Ritters Hand im Harnisch; Fuß.
b) Tiere – es wird entweder das Tier oder der Vogel als Ganzes, der Kopf des Tieres oder Vogels, die Pranke des Tieres oder der Fuß bzw. der Flügel des Vogels abgebildet. Die beliebtesten Tiere in der Heraldik sind der Löwe und der Leopard und der beliebteste Vogel der Adler – sie alle symbolisierten Kraft, Tapferkeit, Großmütigkeit, Kühnheit und Mut. Häufig werden auf den Wappen auch der laufende Hirsch bzw. der Hirschkopf, das Wildschwein in Kampfstellung; der stehende Bär bzw. der Bärenkopf sowie der Steinbock dargestellt. Die Figuren sind in möglichst natürlichen heraldischen Farben gehalten. Von den Haustieren wurden am häufigsten der Hund, der Stier und das Schaf abgebildet. Als Symbol des Kampfes und der Schlacht diente der Hahn, dessen gehobener Fuß ein Zeichen der Kampfbereitschaft war. Darüber hinaus wurden noch der Pfau, der schwarze Rabe (mitunter auch die Krähe), der Reiher, der Pelikan u.a. abgebildet.
c) Neben den Tieren oder Vögeln wurden auch Insekten, Fische und Pflanzen dargestellt. Von den Insekten symbolisierte die Ameise Arbeitsamkeit und der Schmetterling Unbeständigkeit und Leichtsinn. Verschiedene Kriechtiere bezeichneten die Ewigkeit. Die Tiere wurden in bestimmten Posen und Farben abgebildet, indem jedem eine bestimmte Bedeutung und Bezeichnung zugeschrieben wurde.
d) Von den Pflanzen wurden am häufigsten die Bäume (Eiche, Fichte) und die Blätter (Linde, Lorbeer, Klee) dargestellt. Von den Blumen fanden die Rose und die Lilie als heraldische Figuren Verwendung.
e) Von den Himmelskörpern war an erster Stelle die Sonne, die den Wohlstand symbolisierte, und immer als ein von goldenen Strahlen umgebenes Gesicht dargestellt wurde. Der Mond dagegen wurde immer weiß und gesichtslos abgebildet. Die Sterne unterschieden sich voneinander durch die Farbe und die Zahl der Ecken. Darüber hinaus wurden auf den Wappen die Wolken, das Feuer und das Wasser dargestellt.
    Künstliche Figuren – künstlerische und handwerkliche Gegenstände: Waffen, Bauwerke, Kirchen, Werkzeuge, Räder, Gebrauchsgegenstände u.a.
    Fantastische bzw. erdichtete Figuren – die Ungeheuer oder Fabelwesen, die vorwiegend der Mythologie entnommen wurden: Greife, Drachen, Zentauren, Einhörner, Sirenen u.a.
    Von ihrer inhaltlichen Bedeutung her symbolisierte der Palmzweig die Treue; die Taube die Reinheit, die Liebe und den Frieden; das Schiff allegorisch das irdische und ewige Leben; die Füße und Fußspuren des Menschen vergangenes Leben; das Haus den Verlauf des Lebens; die mit sechs Löchern versehene Schilfrohrflöte die Hoffnung, der Baum das Paradies; der Phönix die Erweckung von den Toten; der Ölbaumzweig den Frieden; der Hahn das Licht und die Sonne; der Pfau die Unsterblichkeit; der Löwe einen starken und aufmerksamen Wächter usw.

Helm
Der obere Teil des Wappens wird durch einen Schutzhelm ergänzt, der sowohl mit geschlossenem wie auch geöffnetem Visier dargestellt wurde. Auf den Wappen der Damen wurde der Helm in der Regel nicht verwendet, da es sich um ein Attribut des Militärwesens handelte. Die Helme wurden mit verschiedenen Kleinoden von den Federn bis allen möglichen Elementen, die auf dem Wappen vorkamen, verziert.

Helmkrone
Um die Bedeutung seiner Herkunft unter den anderen Wappeninhabern hervorzuheben, begannen sowohl Könige, Fürsten, Grafen wie auch Adlige ab dem 15. Jahrhundert ihren Schutzhelm zu krönen. Nach ihrem Wert und ihrer Darstellungsweise teilten sich die Kronen in entsprechende Rangkronen.

Schildhalter
Als Schildhalter wurden die dem Zeitalter eigentümlichen Figuren verwendet, ursprünglich am häufigsten Löwen, Leoparden, Adler, Pferde, Greife und Einhörner, später Ritter, Soldaten u.a. menschliche Figuren.

Tiiu Oja
Archivarin
(Übersetzung: Anu Aibel-Jürgenson)